„Con Alma“

 

 

 

Alma Friedwagner hatte für hoch-, bzw. pseudointellektuelle

Vernissageneröffnungsreden nicht viel übrig. „Wolfgang, sei mir ned bös‘, aber müss‘ ma uns des antun?...“ So – oder so ähnlich hat sie auf die üblichen hochtrabenden –Ismen der oft mühsamen kunsttheoretischen Betrachtungen reagiert.

 

 

Mein lieber Kollege Wolfgang Friedwagner hat mich gebeten, heute hier zur Eröffnung der Ausstellung „Con Alma – Salzburg, Venedig, Wien, Berlin“ ein paar Worte zu sprechen. Vielleicht in meiner Funktion als stellvertretende Vorsitzende der Innviertler Künstlergilde, mit sehr verwässerten Wiener Wurzeln, die fast zehn Jahre in Salzburg gelebt hat. Als bescheidene Kennerin, aber nicht minder große Verehrerin von Berlin oder aber weil ich seit Jahren mit sehr wenig Aussicht auf Heilung den Venedig-Bazillus in mir trage und seit meiner ersten Begegnung, genau wie du, Wolfgang, den Reizen dieser merkwürdigen Lagunenstadt erlegen bin? Fakt ist, ich durfte Alma Friedwagner, der die heutige Ausstellung gewidmet ist, nicht mehr kennenlernen. Und doch bin ich ihr begegnet. Zum ersten Mal vor einem Jahr, als du die 13 Aquarelle bzw. Collagen des Zyklus „Con Alma“ in der Galerie 20ger Haus in Ried präsentiert hast. 12 Monate zuvor war deine Frau plötzlich verstorben und die Arbeit an diesem Zyklus brachte dich, so wie du es mir erzählt hast, gleich einer Therapie langsam ins Leben zurück. Oberflächlich betrachtet haftet dieser Serie wenig Sentimentales oder gar Rührseliges im herkömmlichen Sinne an. Erschließen sich dem Betrachter jedoch langsam Formensprache und Symbolik dieses Systems – verspürt man die Tragweite der emotionalen Tragödie hinter diesen Arbeiten.

 

 

Die abgerissene Plakatwand – ein Motiv, das seit mehr als 20 Jahren in deinen Arbeiten auftaucht, symbolisiert nicht nur Vergänglichkeit im Allgemeinen, sondern gibt auch gleichzeitig preis, welche sprichwörtlichen Erinnerungsfetzen – ein Datum, ein Konzerttitel, der Name einer Stadt, manchmal auch nur einzelne Buchstaben - über die Jahre dem Vergessen trotzen konnten. Auch das abgefallene Laub aus eurem Garten – ein Letztes von Almas Grab – ermahnt, gleichsam einem subtilen „mementomori“,an die allgegenwärtige Endlichkeit. In Analogie zum musikalischen „temaconvariazioni“, kehren die einzelnen Bildelemente in Abwandlung wieder. Genauso wie der Name „Con Alma“ – Titel der gleichnamigen Komposition von Dizzie Gillespie, bildet die Klaviertastatur nicht nur einen thematischen Brückenschlag zu eurer gemeinsamen Liebe zur Musik, besonders zum Jazz, sondern stellt mit ihren kaputten, verschobenen Tasten für den Betrachter unmissverständlich klar, dass hier ein bestimmter Klang nie mehr erklingen wird.

 

 

Das System der Collage unterstützt einerseits die Verkörperung der Bruchstückhaftigkeit menschlicher Erinnerung und stellt gleichzeitig die Zerrissenheit eines Trauernden dar, der zersprungen war und seine Einzelteile wieder mühsam zusammengefügt hat – doch heil ist hier – „senza Alma“ nichts mehr, die Risse bleiben sichtbar.

 

Heute, ein Jahr später, zeigst du uns neben dem besprochenen Zyklus weitere, ältere Arbeiten aus deinem umfangreichen Schaffen. Dein künstlerisches Werk ist über all die Jahre untrennbar mit deiner Frau verbunden. Und das betrifft nicht nur jene Arbeiten, wo es einen direkten Bezug zu Alma gibt, wie etwa ein „Wunschbild“ von ihr, die Genua-Ansicht, oder eines der Bilder von Spazierwegen, die ihr oft zusammen gegangen seid. Alma – „die Nährende“, war mehr als 40 Jahre an deiner Seite.

 

So wird jedes Bild dieser Ausstellung auch zur Hommage an Alma, die dir Ehefrau, Gefährtin, Zahlmeisterin, Kritikerin und Muse – und noch vieles mehr war.

 

 

Städtebilder bilden seit jeher den Schwerpunkt deiner künstlerischen Arbeit.

 

Neben anderen, stehen heute vor allem zwei, auf den ersten Blick vermeintlich sehr verschiedene Serien von Stadtportraits, im Vordergrund: Venedig und Berlin.

 

Bei unserer ersten Begegnung fing ich im Vorübergehen ein paar venezianische Wortfetzen einer Unterhaltung, in die ich mich als Venedig-Freak gleich unhöflich einmischen musste, auf. Nachdem du mein Insiderwissen etwas überprüft hattest – nur so lässt sich der wahre Venedig-Liebhaber vom „normalen“ Touristen unterscheiden - erkannten wir uns beide als Opfer des Serenissima-Bazillus und du verehrtest mir kurz darauf dein 1999 erschienenes Buch „Venedig im Winter“.

 

Seit 1987 hast du unzählige Male den Zentralalpenhauptkamm überquert, um dich den Reizen dieser schönen und zugleich hässlichen alten Dame oder auch Hure, wie sie manche nennen, hinzugeben.

 

 

Aus dieser „Beziehung“ entstand im Laufe der Jahre eine Vielzahl von Pastellen und Aquarellen. Ein Trost für alle, die Venedig nicht ausstehen können: man muss die Stadt nicht lieben um diese Arbeiten zu lieben. Sanft und behutsam näherst du dich dieser morbiden Schönheit und teilst mit dem Betrachter deine Impressionen. Dabei ist dir das Atmosphärische ein größeres Anliegen als Detailtreue. Mit viel Gefühl und dem Auge eines wahren Kenners dieser Stadt schaffst du es, selbst der bedrückendsten Leere, der hoffnungslosesten Trostlosigkeit und dem allgegenwärtigen Verfall die innewohnende Poesie zu entlocken. Neben der Liebe zu dieser Stadt, der man den Untergang schon lange prophezeit, kamst du über die befreundete Familie Tens in Kontakt mit jener Stadt, die damals den Untergang schon hinter sich hatte. Berlin. Unter dem Eindruck eurer Berlinreise entstanden 1993/94 die heute hier präsentierten Arbeiten. Im Gegensatz zu deinen Venedig-Ansichten, haftet hier dem Verfall und der Trostlosigkeit nichts Poetisches an. Die nur teilweise kolorierten Zeichnungen in Tusche und Sepia erscheinen im Vergleich ruppig, brutal und düster. Kein sanftes Flimmern der Farben in impressionistischer Manier, sondern knallhartes politisches Statement, expressiv und erschütternd. Zynisch und bitterböse - die andere Seite des Wolfgang Friedwagner, wie du sie selbst bezeichnet hast.

 

 

Vielfältig ist dein Schaffen, das du heute hier präsentierst, formal sowie inhaltlich. Die vermeintlichen Unterschiedlichkeiten deiner Zyklen eint jedoch vieles: Du bist ein bestechender Aquarellist, ein hinreißender Zeichner und vor allem eines: ein wunderbar sensibler Beobachter. Neugierde und Experimentierfreudigkeit seien die Motoren deines künstlerischen Tuns, hast du mir erzählt – ein Garant für uns, dass wir uns noch auf vieles von dir freuen dürfen!