Rudolf Beer; „Spuren und Wege“

 

„Spuren und Wege“ nennt Rudolf Beer seine heutige Ausstellung – und er bringt es wie in seinen Arbeiten auch mit diesem Titel auf den sprichwörtlichen Punkt. Nicht nur die Spuren und Wege seiner perfekt gesetzten Linien, die die Farbflächen seiner Bilder kreuzen, rechtfertigen dieses Motto. Seit fast 40 Jahren geht er seinen ganz eigenen künstlerischen Weg und hat im Lauf dieser Zeit, mit unzähligen Ausstellungen und vielfachem Engagement in diversen Kunstvereinen, deutliche Spuren in der künstlerischen Landschaft Bayerns und des angrenzenden Innviertels hinterlassen. Vor genau 20 Jahren hat er – damals unter dem Titel „Landschaft expressiv“ – in diesen Räumen schon einmal Arbeiten präsentiert. Die heutige Schau gleicht einem Jubiläum und umspannt nicht nur exemplarisch sein künstlerisches Schaffen der letzten 20 Jahre, sondern umreißt auch seine konsequente Entwicklung als Malerpersönlichkeit.

 

Sowohl als Kunstschaffende als auch als kritisches Gegenüber, war und ist es für mich stets ein Zeichen von Authentizität und ein Garant für Qualität, wenn auch die Persönlichkeit und der Charakter des Künstlers, sei es nun beabsichtigt oder nicht, sich in den Arbeiten manifestieren, ihre sichtbaren Spuren hinterlassen und so für den Betrachter spürbar werden. Authentisch und geradlinig, vielleicht etwas vierschrötig, manchmal, innerhalb seines bevorzugten Quadrats, beinah streng, vereinzelt sogar hart, dann wieder humorvoll, mit einem Augenzwinkern, fast schelmisch, nur angedeutet versteht sich, dass man es so oder so auffassen kann. Und dann, trotz all der „klaren Ansagen“ ganz unerwartet, begegnet einem, in diesen doch eng gesetzten Grenzen, Vielschichtigkeit, Tiefgründigkeit und ja, ungemeine Sensibilität. Welche dieser Eigenschaften jetzt auf den Künstler und welche auf seine Kunst zutreffen, überlasse ich ihrer Interpretation.

 

Rudolf Beer ist ein Naturtalent. Weitab von Kunsttheorie oder Grundkursen künstlerischen Gestaltens, beweist er, völlig aus sich heraus, abseits jeglicher Allüren und Künstlerklischees, mit der Akribie und der Ernsthaftigkeit eines Handwerkers, völlig natürliches, doch unerschütterliches Gespür für Farbe, Proportion und Komposition. Selbst hat er sich vor Jahrzehnten auf die Suche nach der Spannung zwischen Farbe, Form und Linie begeben und hat auf diesem Weg seine ganz eigene Formensprache gefunden. Durch seine intuitive, gestalterische Sicherheit erschüttert er einerseits das System der akademischen künstlerischen Indoktrinierung und wird andererseits gleichzeitig zum Beweis für die manchmal umstrittene allgemeine Gültigkeit ästhetischer Gesetze.

 

Inspiration fand und findet Rudolf Beer, so sagt er selbst, in der Natur. Landschaft, Blätter, Bäume, Fundstücke dienen ihm, obgleich vielfach verfremdet, nach wie vor als Vorbild für seine Formensprache. Die Gruppe mit den hier ausgewählten Naturdarstellung zeigt deutlich seine künstlerische Entwicklung. Während z.B. in den „Winterszenen“ von 1996 die Baumgruppen, in klassisch expressionistischer Manier formal schon stark vereinfacht dargestellt sind, so schreitet die Abstraktion in „Blick aus meinem Fenster“ und in der Serie „Floral“ konsequent fort. Gegenständliches wird nur mehr assoziativ angedeutet. In den „Setzungen“ von 2014 ist die Reduktion schließlich gänzlich vollzogen.

 

Auch seine für ihn klassischen abstrakten Kompositionen aus Malerei und Zeichnung haben im Lauf der Jahre noch an Spannkraft gewonnen. Auf dem „Spielfeld“ von 1994 wirkt die für Rudolf Beer untypische Farbpalette der in sich strukturierten, nicht klar abgegrenzten Flächen noch wie ein Testlauf und ist – man sucht vergeblich ein Pendant – wohl nach dem Testlauf doch wieder verworfen worden. Die Farben in seinen Bildern haben sich im Lauf der Jahre auf eine kleinere Gruppe, mit dichten, in sich leicht strukturierten Nichtfarben kombinierte, aber auf eine für ihn typische, sehr klare Farbigkeit reduziert. Das Spiel mit der Linie wurde sparsamer, doch immer präziser. Alles sitzt da, wo es eben sitzen muss – in der Einheit von Format, Farbe und Form an seinem Platz der größtmöglichen Spannkraft, zwischen kompositorischem Halt und fast zwingender Harmonie. Die Formen erscheinen heute im Vergleich klar abgegrenzt, wirken zwar auf den ersten Blick vielleicht schwerer, aber transportieren, mit zunehmender Auflösung, eine Leichtigkeit, die das Paradoxon einer gelungenen Komposition widerspiegelt – so in der Serie „Blätter“ zu beobachten.

 

Rudolf Beer hat seinen Weg gefunden und, da bin ich mir sicher, er wird ihn konsequent weitergehen. Gleich einem seiner Steine aus der Serie „Setzungen“, nicht wirklich „gesetzt“ im klassischen Sinn des Wortes, ruht er in sich, wie ein kleiner Fels, umspült und mehrheitlich ungerührt von der Brandung irgendwelcher Moden und Eitelkeiten des Kunstzirkus. Lediglich die Zeit und die Dinge, die ihn bewegen, all das, was er lernt und bemüht ist wegzulassen, auf dem Weg mit immer weniger immer mehr auszudrücken, hinterlässt seine Spuren, in ihm, in seinen Bildern und nicht zuletzt in uns, die wir seine Arbeiten betrachten und schätzen.  

 

Hanna Kirmann, September 2015