Wir winken. Wir winken mit Händen, mit Fingern, mit den Augen – mit Fähnchen, Flaggen, Taschentüchern und Zaunpfählen. Wir winken nach Kellnern, Taxifahrern;  geben leise, manchmal praktische Winke – wir sind eines jeden Winkes gewärtig. Als Kinder lernten wir winke-winke noch bevor wir sprechen konnten. Meist braucht es nur einen Wink von oben, manchmal ein Scheunentor, um zu begreifen. Wir gehen dahin, wo uns große Ziele, hohe Gewinne und größere Vorteile winken, seltener dorthin, wo uns der Frieden winkt. Wir winken von Balkonen und aus Fenstern, aus vorbeifahrenden Zügen und von Schiffen, die an- oder ablegen. Wir winken, wenn wir uns auf den Weg machen  und wenn wir heimkehren.  Wir winken zur Ankunft, wir winken zum Abschied. Ein theatralisches „Adieu“ auf einem Bahnsteig,  ein erfreutes „Willkommen“, ein erleichtertes „auf Nimmerwiedersehen“, ein fröhliches „bis bald“,  ein schmerzliches „Lebewohl“.

 

 

„remember“ ist alles und nichts von alledem. Das Winken dieser Hände ist ein neutrales Herbeiwinken, eine Aufforderung, vielleicht eine Ermahnung des Betrachters,  innezuhalten und zu reflektieren.  Die Puppe, ein Zitat aus einer vergangenen Lebensphase, einstiges Medium der Orientierung und Erkenntnis des Ichs[1] und der Welt, erscheint nunmehr als Fragment, Anlass, den Fokus auf uns und unser Selbstkonzept zu richten.  Unsere Emotionen gegenüber Puppen sind dabei ebenso von Ambivalenz geprägt wie der Akt des Winkens selbst und schließlich unser Blick auf die Wirklichkeit im Allgemeinen.  Ankunft, Abschied, Trennung, Veränderung, Stillstand, Leben. „remember“ kommt zu keinem Schluss. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft winken uns gleichzeitig zu und verschmelzen in der Dialektik von Eins- und Getrenntsein. [2]

 

Hanna Kirmann, 2010

 



[1] vgl. Bühler-Dietrich, Annette: „Puppe, Leib und Subjekt zwischen Rilke und Lou Andreas-Salomé“. Vortrag anlässlich einer Tagung des Vereins FrideL -Frauen in der Literaturwissenschaft zum Thema: „Textmaschinenkörper. Genderorientierte Lektüren des Androiden“. Bremen 2003

 

[2] Nurmi-Schomers, Susan: Poetologische Perspektiven.  Max Niemeyer Verlag. Berlin 2008,  S. 106.